Projekt

(Trauer-) Adventskalender 2019

Im Dezember 2019 habe ich auf Facebook & Instagram kurze Texte geteilt. 31 Tage lang.

In der Regel dauert ein Adventskalender bis Weihnachten, bis hin zum großen Fest. Wer einen geliebten Menschen verloren hat, für den ist der Advent aber plötzlich nicht mehr nur wunderbar besinnlich, sondern auch sehr dunkel und kalt. Die Zeit nach den Feiertagen und hin zu einem neuen Jahr, habe ich dabei als besonders schwer empfunden. Das war der Grund, warum mein Kalender nach Weihnachten einfach weiterging.

Ein (Trauer-) Adventskalender der etwas anderen Art.

Die verwendeten Bilder wurden alle von mir oder meiner lieben Freundin Tanja Reisert mit dem Handy aufgenommen. Momentaufnahmen, in denen wir uns dem Himmel sehr nah gefühlt haben.

— 0 —

Ein einziger Mensch fehlt,
und die ganze Welt ist leer.

— 1 —

Zerbrochen.
Ich.

Aufrecht und gebrochen
stehe ich
und blicke in eine Welt,
die vorgibt perfekt zu sein.

— 2 —

Könnte ich doch nur.
Die Augen schließen.
Im Traum erwachen.
Immer weiter,
immer wieder.
Nicht erlebtes Leben
leben.
Ja, könnte ich doch nur.

— 3 —

Zeit, sie soll heilen,
sagt man mir.
Gefühle, sie schwächen ab,
sagt man mir.
Trauer, sie gehört dazu,
in Phasen sollte ich sie abarbeiten,
sagt man mir.

Traurig sein ist gut,
sagt niemand.
Weinen, immer nur weinen,
das ist in Ordnung,
sagt niemand.

Ich bin für dich da,
sagen alle.
Aber sie sind es nicht.

— 4 —

Himmel?
Ich habe darüber nicht nachgedacht.
Nicht genug.
Jetzt sollte ich daran glauben.
Einfach nur glauben.
Kann ich das?
Ich möchte,
aber ich weiß es nicht.

— 5 —

Die Sonne geht auf.
Wie kann sie es wagen?
Die Welt in Licht zu tauchen,
inmitten meiner Dunkelheit.
Die Erde wärmen,
inmitten meiner inneren Kälte.
Schön sein,
wo die Welt doch so hässlich ist.

Schönes, schmerzerfülltes Leben,
du bist mein.
Begleitest mich auf meinem Weg,
ich hab dich lieb.

— 6 —

Berge.
Sie stehen
für gelebte Unendlichkeit
und grenzenlose Schönheit.

Stehen und tragen.
Leben und Tod,
Freude und Schmerz.
Ewige Liebe,
Ist.

Es gilt
Täler zu durchforsten,
Berge zu erklimmen,
Gipfel zu erreichen.

Sein,
in meiner Endlichkeit.
Und lieben.

— 7 —

Sternenhimmel funkelt.
Reich an Farben, Mustern, Schönheit.

Mondhimmel leuchtet.
Wissend und warm, geprägt von Veränderung.

Sonnenhimmel strahlt.
Schön und unerträglich, inmitten meiner Trauer.

Regenhimmel wärmt.
Verstehend und beruhigend, so voller Schmerz.

Todeshimmel weint.
Traurig, klar, erdrückende Sehnsucht.

Himmel!
Plötzlich, allumfassend, ewige Unendlichkeit.
Und Liebe.
Nichts als Liebe.

— 8 —

Wenn die Sonne untergeht
und das Licht der Dämmerung wie ein Echo der Nacht in unseren Tag einzieht,
dann wird es still.
Im Land.
In meinem Haus.

In den Anfängen der Dunkelheit,
dort wohnen sie.
Meine Schatten.
Kommen ohne Einladung.
Groß und laut.

Jeden Tag,
wenn die Nacht einzieht.
Ins Land.
In unser Haus.
Ist er da,
dieser nicht auszuhaltende Lärm.

Stille.
Einst war sie mir vertraut.
Schreie,
sie nehmen nun ihren Platz ein.

— 9 —

Kinderlachen.
Dröhnende Geräuschkulisse übertönend,
vermagst du stets,
mein Innerstes zu erreichen.

Aufwecken.
Meine Seele. Sie erinnert sich,
an fröhliche Tage.
Unbeschwertheit.

Musik der Herzen,
von dir,
für mich.
Herbei, oh friedvolles Seelenleben.

Kinderlachen.
Du Wunder. Schönes.

— 10 —

Momentaufnahme.

Die bunt gewordenen Blätter
Spiegeln sich unaufdringlich und klar
Im Wasser des angelegten Teiches.

Loslassen.
Die Bäume, sie sind bereits im Prozess.
Ihr Laub, es treibt an der Oberfläche.
Welk und stumm.

Regentropfen. Malen Kreise.
Auf der Suche nach ihrem Platz,
fügen sie sich leise ein, in ein großes Ganzes.
In eine neue Ordnung.

Das Geräusch des Regens schreibt eigene Lieder.
Umgibt mich.
Und die Welt. Sanft.
Ganz sanft.
Sein. Im Moment. Und staunen.

Zeit, sie existiert nicht.
Nicht jetzt.
Nicht im Augenblick.
Dann plötzlich, wird es laut,
ist die Stille durchbrochen.
Das Kunstwerk – Geschichte.
Eine Kleinigkeit nur, doch der Moment ist bestimmt.

Vergänglichkeit steht im Raum.
Unendliche Tiefen des Seins,
für immer verloren.
In nur einem Augenblick,
ohne Zeit. Ohne dich.

Momentaufnahme.

— 11 —

Blau.
Lieblingsfarbe blau.
Farbe des Himmels.
Wellen brechen sich im spiegelnden Wasser.
Ozeane der Gefühle –
Erdisches Dasein.

Farbe des Himmels. Sie
liegt in den Augen des Betrachters.
Blau wird bunt,
von oben betrachtet.

Farben des Regenbogens.
Blau. Bunt.
Reflektierendes Licht –
Himmlisches Leben.

— 12 —

Geschwister!
Gefunden,
in einem Land vor unserer Zeit.
Als Teil eines großen Ganzen.
Herzen, die im Einklang schlagen.
Magie!

— 13 —

Immer ist da Sehnsucht.
Und immer ist da Schmerz.

Wenn Tod plötzlich ein Teil von Leben ist,
schlagen gebrochene Herzen weiter.
Ungefragt.
An endlos langen Tagen
ohne dich.

Du fehlst.
An jedem einzelnen Tag
fehlst du uns.

— 14 —

Sehnsüchtiges Verlangen
Nach einer Welt so weit von hier.
Sternenhimmel leuchte!
Weise mir den Weg,
in diese, meine andere Welt.
In der ich mich aus jeglicher Form befreie.
Frei von Schmerz und voller Liebe,
eintauche in Himmel.
Diesen meinen,
diesen unseren Himmel.

— 15 —

Wenn ich bei Nacht zu den Sternen blicke,
dann frage ich mich.
Wo wohnt der Wille, wo mein Geist?
Wieviel von mir ist hier,
wieviel ist dort,
wieviel ist irgendwo?
Irgendwo da gibt es mich.
So, wie ich sein möchte,
so wie ich bin.
Wissend und glaubend und liebend.

— 16 —

Heute
Morgen
Übergestern
Die Tage, Wochen, Monate, gar Jahre ziehen dahin.
Weiter, immer weiter,
unbarmherzig und weiter.
Kreise öffnen sich und schließen.
Verbogen und unförmig.
Und doch so voller Schönheit.

— 17 —

Der Tod
ist nicht der Feind.
Das Leben nicht die Hölle.
Die Liebe,
sie ist Himmel.

Brücke.
Von hier nach dort.
Gelebte Ewigkeit.
In Liebe verbunden.

— 18 —

Wenn das Feuer mit mir spielt,
sich aus meinem Leben schleicht
und meine Mitte kühlt, anstatt zu wärmen.

Wenn die Schönheit sich mir entzieht,
mir das Leben seine hässlichste Seite zeigt
und mich herausfordert, den Blick abzuwenden.

Wenn Revolution zu einer leeren Worthülle geworden ist,
für nichts mehr steht, mich nicht mehr antreibt
und mir die Gründe zu leben nicht mehr einfallen.

Dann, ja dann,
ist es an der Zeit mich aufzurichten.
Feuer, Schönheit, Revolution –
Sie sind ein Teil von mir.

Ich mag sie.
Ich brauche sie.
Ich hol sie mir zurück.

— 19 —

Nimm mich an die Hand,
sagt der Tod,
ich bin ein Teil von dir.

Nimm mich an die Hand,
sagt der Schmerz,
ich geh nicht weg.

Nimm mich an die Hand,
sagt die Trauer,
ich begleite dich.

Nimm mich an die Hand,
sagt das Leben,
ich bin immer noch da.

Nimm mich an die Hand,
sagt die Liebe,
und es wird weniger sinnlos.
Weil wir uns kennen.

— 20 —

Liebe,
ich kann sie spüren.
In meinem Schmerz,
immer wieder spüren.

Das ist es.
Der Grund,
warum es weh tut.
Warum es gut ist.
Die Liebe, sie trägt mich.
Trägt meine Trauer,
meinen Schmerz.

— 21 —

Stehenbleiben
statt weitergehen,
sprechen
statt schweigen,
zuhören
statt immer nur den Blick abzuwenden.

Menschen.
Sie haben Geschichten zu erzählen,
die das Leben schreibt.
Und der Tod.

Nicht schweigen,
aber still sein.
Und zuhören,
das ist alles.
Aufgehoben,
in angenehmer Stille.

— 22 —

Heilende Wunden.
Gelebte Emotionen,
tragen mich.

Lachen,
bis ich weine.
Und weinen,
bis ich lachen muss.

Lieben,
dass die Knie weich werden.
Und Schmetterlinge im Bauch tanzen lassen,
bis es weh tut.

Leben,
bis in jede Faser meines Seins.
Und fühlen,
bis ich zu zerspringen drohe.

So sein,
wie ich sein will.
Vergnügt, verspielt, voller Trauer,
versteckt.

Manchmal,
an wichtigen Tagen,
bin ich nur eine leere Hülle.
Allein mit mir,
in meinem Körper.
Ein Schatten meiner selbst,
voller Hoffnung und Schmerz.

Ich lache,
ich liebe,
ich lebe,
ich bin.
Alles.

Meine Wunden, sie heilen.

— 23 —

Ich bin
ewig suchend,
inmitten meiner Trauer.
Staune,
über das Leben.
Und den Tod.
Voller Ehrfurcht.
Starr vor Schmerz
und doch so voller Leben.

Alles,
möchte ich sein.
Alles,
darf ich sein.

— 24 —

Da ist er.
Dort wo meine Augen nicht sehen,
meine Hände nicht halten,
meine Lippen die Worte nicht formen können.

Dieser Ort.
An dem die Fragen und Antworten liegen,
die unser Herz nicht tragen kann.
Unsere Seele nimmt sich ihrer an.
Trägt sie,
an diesen wundersamen Platz.

Meine Narben.
Tief und schmerzend,
aufgefangen in jener Welt,
die ich besuche.

Da ist er.
Inmitten dieser Schönheit.
Inmitten dieses blühenden Gartens.
Ewig.

— 25 —

Sanfte Klänge,
ferne Stimmen.

Erreichen mich,
mehr dort als hier.

Führen mich,
heute, morgen, irgendwann –
stilles Chaos.
Wunderschön.

— 26 —

Zeit.
Stillstehende, zweitrangige Existenz.
Ohne Sinn.
Ohne Bedeutung.

Das Leben,
ein Spiel.
Mit Licht und Schatten.
Eine ewige Suche,
nach Harmonie.

In einer Zeit,
die nicht mehr existiert.

— 27 —

Sieh den Schmerz,
in meiner Verwitterung,
meinem Blick.
Und fühle.

Du bist nicht allein,
mit deiner Angst.

Sie gewiss,
auch meine Knie zittern,
wenn ich meine Narben zeige.

Aufrecht mein Gang.
Beharrlich mein Blick.

— 28 —

Schmerz.
Ich bekomme keine Luft
Und doch atme ich.

Dort liegt meine Gewissheit,
dass ich am Leben bin.
Überleben werde.

Wenn es so sehr schmerzt,
dass ich nicht atmen kann.
Und es trotzdem tue.

— 29 —

Ich warte auf dich,
dort wo Himmel und Erde sich verbinden.

In den Wellen des Meeres,
der Unendlichkeit der Sterne,
den tiefsten Tiefen meiner Seele.

Dort wo Schönheit Formen annimmt,
von denen ich nicht zu träumen wage.
Dort werde ich auf dich warten.

— 30 —

Nicht der Tod,
es ist
die Liebe.
Die dein Herz in Stücke reißt.

Um sich dann sanft auf deine Wunden zu legen.
Um dir zu helfen
den Schmerz zu ertragen.

— 31 —

Du.
Bleibst bei mir.

Unvergessen.