Dosenbohnen

Da stehe ich nun also. Mitten im Supermarkt bricht die Welle ohne Vorankündigung über mich herein und reißt mich mit.

Eigentlich wollte ich doch nur schnell eine Dose Thunfisch holen, um die herzhaft banale Sauce zu zaubern, die wir alle zu „Gsottna Grumpora“ – so nennen wir gekochte Erdäpfel – so gerne essen. Als ich mit dem vollen Einkaufswagen in den Konservengang abbiege, sind meine Gedanken schon beim bevorstehenden Abend. Wie immer freue ich mich darauf, meine Familie bei uns daheim zu haben. Und für heute war ein besonderer Leckerbissen geplant, hatte ich doch erst vor wenigen Tagen die ersten eigenen Kartoffeln überhaupt auf unserem Gemüseacker geerntet. Da stand ich nun also. Und während ich die Einkaufsliste stumm und in Gedanken noch einmal durchgehe, da sehe ich sie. Dosenbohnen!

Die Erinnerungswelle bricht über mich herein und fast zeitgleich kommen die Tränen. Viele Tränen. Ich schluchze. Aus den Augenwinkeln nehme ich zwei Frauen wahr, eine davon kenne ich. Erschrocken wenden sie den Blick ab. Zumindest ein wenig, um dann doch noch Teil des Geschehens zu bleiben. Um auch ja nichts zu verpassen. Für später. Sie kümmern mich nicht.

Bohnensalat, an etwas anderes kann ich nicht denken. Dabei mag ich ihn noch nicht einmal besonders. Er schon. Keiner konnte ihn so zubereiten wie er. Keinem verriet er sein kleines Geheimnis. Das war seine Spezialität. War!

Ich habe keine Ahnung, wie lange ich da so stehe. Schluchzend und verzweifelt nach Fassung ringend. Irgendwann jedenfalls kommen keine Tränen mehr und obwohl der Schmerz mich buchstäblich zu zerreißen droht, schiebe ich meinen Einkaufswagen langsam weiter. Immer schön einen Fuß vor den anderen. Ich fühle mich leer. So, als hätten die Konservendosen mir soeben jegliche noch verbleibende Kraft entzogen. So, als gäbe es keinen Grund weiterzumachen.

Warum nur, denke ich heimlich, passiert das nie im passenden Moment. Hoch oben in den Bergen, zum Beispiel, wenn zwischen nichts und allem nur ein einziger Schritt daneben nötig wäre. Nein, die Realität schlägt immer dann zu, wenn man gerade nicht damit rechnet.

Mittlerweile sitze ich im Auto und schaue durch die verregnete Windschutzschiebe auf den Parkplatz. Ich atme. Eigentlich, so denke ich mir, atmet es mich. Und ich kann nichts dagegen tun. Ich denke über den Tod nach. Und über den Himmel. Darüber, ob es da wohl Bohnensalat gibt. Darüber, ob Himmel überhaupt existiert, oder ob wir uns das alles nur einreden. Eine Antwort gibt es nicht.

Den Thunfisch, so wird mir klar, habe ich auch vergessen, aber zurück kann ich nicht mehr. Heute muss es ohne gehen.

Ja, denke ich, das muss es wohl.

Themen