Ein Ozean voller Irgendwas

I could really use the
sound of an ocean tonight,
a gentle reminder that
there are bigger things
out there than what
I am feeling right now.

- Open water

Ich liebe das Meer. Das war schon immer so. Ich liebe den Geruch, ich liebe das Geräusch von sich brechenden Wellen, ich liebe Sonnenauf- und -untergänge, ich liebe einfach alles daran. Das Meer, so war ich mir schon immer sicher, hat eine unglaubliche Kraft.

Dann vermischte sich das Salzwasser mit einem Ozean aus Gefühlen und wurde noch viel mächtiger. Noch bezaubernder, noch vielsagender, und um ein Vielfaches bedeutungsvoller.

4 Wochen nach dem Unfalltod meines Bruders flogen wir weg. Wir hatten das schon lange geplant und irgendwie war absagen genauso unvorstellbar wie wegfahren. Ich war völlig unfähig Entscheidungen zu treffen und doch war ich es, die die Koffer für die ganze Familie gepackt und alles ins Auto verfrachtet hat. Ich war es, die alle notwendigen Dokumente schön sortiert zur Hand hatte, um abzuheben. Fast so wie immer. Noch immer habe ich keine Ahnung, wie ich das alles bewerkstelligt habe.

Als wir wegfuhren, von zuhause, vorbei an dem Friedhof, auf dem ich in letzter Zeit so viele Stunden verbracht hatte, da fiel es mir schwer zu atmen. „Du Verräterin“, schrie meine innere Stimme, „du kannst doch jetzt nicht einfach woanders hinfliegen!“ Ich konnte doch nicht einfach in einen Flieger steigen und ihn hier zurücklassen. Jetzt, wo ich doch eigentlich nur an seinem Grab stehen wollte. War er denn überhaupt noch hier? An diesem Ort?

Ich kann mich kaum noch an die Wochen in Kapstadt erinnern. Ich hatte, als wir mit dem vollgepackten Auto zum Flughafen fuhren, eine Welt zurückgelassen, die es für mich so nicht mehr gab. Der Ort, den ich einst mit Leben, Liebe und Geborgenheit in Verbindung brachte, war ein Ort des Schreckens geworden. Ein Ort, an dem mich jeder mitleidig anblickte. Oder auch nicht. Ein Ort, an dem ich mich einsam und verloren fühlte.

An die Wochen in Kapstadt kann ich mich kaum noch erinnern. Das Einzige, das ich schon noch weiß, ist, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben die Kraft des Ozeans spürte. So richtig spürte. Es fühlte sich an, als wäre ich heimgekommen. Als würden sich Himmel und Erde vor meinen Augen vereinen und mir zeigen, dass es noch etwas Mächtigeres gibt, als das, was ich fühlte. Es war herzzerreißend schön.

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