Es regnet. Und mir ist kalt.

Langsam versuche ich, dem Gefühl in mir Platz zu geben, während ich gleichzeitig weiß, dass ich mir nicht erlauben darf, mich fallenzulassen. Noch nicht. Wenn ich jetzt loslasse, sage ich mir seit Wochen, dann stehe ich nicht wieder auf. Also warte ich.

Ich mache die Dinge, die ich immer mache. Machen muss. Dabei bin ich dankbar für die vielen stupiden Abläufe in meinem Alltag, die sich wie von selbst erledigen. Heute regnet es. Es ist fast so, als hätte der Himmel seine Schleusen schon geöffnet, um mich sanft zur Ruhe zu zwingen. Es ist Zeit, einen Gang zurückzuschalten und inne zu halten. Zeit, der Erinnerung ihren Platz in der Gegenwart zu geben …

Zufällig kam ich heute in einem Gespräch auf den Tag der Geburt meines Bruders zu sprechen. Den Tag, an dem wir ihn auf der Welt willkommen hießen, ohne zu ahnen, dass uns nur wenig Zeit geschenkt sein würde. Mensch, ist das alles schon lange her – das Gespräch hätte eigentlich bedeutungslos sein sollen. Eigentlich. Nur ist es das nicht. Nicht für mich. Seit Tagen versuche ich nicht an die Zahl zu denken. 25 – so lange ist lange. So alt sollte mein Bruder in wenigen Tagen werden. Das Atmen fällt mir schwer, während ich noch immer versuche Haltung zu bewahren. Dabei merke ich, wie die Kälte sich in meinem Körper ausbreitet. Und während mein Herz langsam dabei ist zu zerbrechen, gebe ich mich dem Schmerz hin. Vollständig und ohne Wiederrede fühle ich, was nicht mehr sein kann und nie mehr sein wird.

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