Für immer traurig

Ja glaubst du denn, dass du für immer traurig bleiben wirst? – das wurde ich vor ein paar Monaten in einem Gespräch, in dem ich mit jemandem über meine Trauer sprach, gefragt. Mein Gegenüber fand die Vorstellung schrecklich.

Für immer traurig sein, das ist ja furchtbar – ich glaube, so denken viele Menschen. Irgendwann muss man doch auch weitermachen und das Leben annehmen, als das was es ist. Den Verstorbenen ihren Platz geben, unter uns und auch dort wo sie jetzt sind. Nur muss man das? Bedeutet traurig sein in unserer Gesellschaft wirklich gleichzeitig auch schwach sein? Kommt man in der Trauer irgendwann an eine Abzweigung, bei der man sich entscheiden muss, den Schmerz hinter sich zu lassen und weiterzumachen oder auf ewig in der Vergangenheit steckenzubleiben? Ich glaube nicht an solche vorgegebenen Muster. Und ich weigere mich, so zu leben.

Mein Schmerz, der steht für etwas. Es tut weh, weil es wichtig ist. Der Tod hat mir jemanden, den ich geliebt habe, weggenommen. Also ja, ich glaube, dass ich für immer traurig sein werde. Und ich glaube auch, dass das nicht schlimm ist. Stattdessen bin ich neugierig darauf, die Facetten meiner Trauer kennenzulernen und in mein Leben zu integrieren. Denn mal ehrlich, es ist schlicht unmöglich, das zu umgehen. Ich werde ihn immer vermissen. Immer werde ich traurig darüber sein, dass er nicht mehr bei uns ist. Große Momente werden nie an mir vorübergehen, ohne dass ich nicht an die denke, die dabei fehlen. Ganz alltägliche Dinge, die mich an Kleinigkeiten aus meinem früheren Leben erinnern, werden immer wiederkommen und sie werden mich immer traurig machen. Oft werde ich dabei auch lächeln. Manchmal vielleicht sogar laut lachen oder sehr nachdenklich werden und ganz oft werde ich dabei eben auch weinen. Ich möchte die schönen Momente genauso annehmen wie die schmerzhaften, möchte mich nie damit zufriedengeben, dass ich nur entweder oder sein kann.

Niemals wäre die Liebe weniger stark gewesen, hätten wir gewusst, was die Zukunft bringt. Vermutlich hätten wir sogar noch intensiver geliebt. Wir hätten uns nicht für das Gegenteil entschieden, nur um dann irgendwann weniger traurig zu sein. Und deshalb habe ich damit aufgehört, meinen Schmerz und meine Trauer als etwas zu betrachten, dass ich schnell hinter mich bringen muss. Ich kann dem Leben entgegenblicken. Kann das Glück annehmen, wenn es sich mir zeigt und die Liebe, die mich umgibt, spüren. Dabei muss ich meinen Schmerz nicht verdrängen. Manchmal sind Dinge so wunderschön, dass sie kaum auszuhalten sind. Bei Schmerzen ist es sehr ähnlich. Mein Schmerz, der ist schön, denn er steht für etwas.

Also ja, ich werde für immer traurig sein. Für diesen Weg habe ich mich entschieden. Denn ich möchte das Leben spüren, mit allem was dazugehört. Und Eines weiß ich ganz gewiss: Der Tod gehört dazu wie kein anderer.

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