Hühnerbrühe tröstet die Seele

An dem Tag, an dem mein Bruder starb, habe ich nichts gegessen. Niemand von uns hat das. Auch nicht am Tag darauf. Meine Kinder wurden mit Tiefkühlpommes und Leberkäse abgefertigt und nicht einmal das habe ich selber gemacht. Um ehrlich zu sein wundere ich mich, dass ich mich überhaupt daran erinnern kann.

Zwei Tage nach dem Unfall bekamen wir Hühnerbrühe. Eine sehr liebe Verwandte hat sich die Mühe gemacht, sie für uns zuzubereiten. Einfach nur Brühe. Obwohl es doch in Wahrheit so viel mehr sagte. Mehr über den Menschen, der sich seiner Hilflosigkeit bewusst war und trotzdem innerhalb seiner Möglichkeiten gehandelt hat. Wir alle haben davon getrunken und gespürt, wie gut es tat. Unser Körper brauchte die Nahrung und unsere Seele wollte gewärmt werden. Hühnerbrühe kann beides, den Körper nähren und der Seele etwas Gutes tun. Natürlich hat es nichts geholfen und es hat auch nichts wieder in Ordnung gebracht, aber es war da. So wie die Frau, die sie für uns zubereitet hat. Wie schön es doch ist, solche Menschen zu haben.

Sie war nicht die Einzige, die uns in den ersten Tagen bekocht hat. Eine sehr liebe Bekannte hat mir eine ganze Kiste voller eingekochter Suppen und Eintöpfe vor die Tür gestellt. Einfach so. Oder wohl eher nicht einfach so, sondern weil auch sie die Kraft, die in der Suppe steckt, kennt. Irgendwann, das wussten wir, mussten wir wieder etwas essen. Aber wir konnten uns nicht darum kümmern. Umso wertvoller war es, jemanden zu haben, der das für uns übernahm. Über Wochen hinweg, wurde uns von zwei besonderen Menschen täglich ein ganzes Menü vor die Türe gestellt, in der Hoffnung, dass wir davon essen. Dass wir unserem Körper die nötige Kraft geben, um die Tage und Nächte durchzustehen, um die Dunkelheit und den Schmerz zu ertragen.

Heute weiß ich, dass wir das ohne die Hilfe all dieser wunderbaren Menschen nicht geschafft hätten. Keiner von uns war in der Lage, selbst etwas zu kochen. Keiner von uns konnte sich um sich selber kümmern. Wir hätten vermutlich über Tage und Wochen hinweg nichts zu uns genommen. Schon gar nichts, dass uns nährt oder gut für unsere Seele war. Die Liebe, die in all diesen Speisen steckte, kann ich bis heute spüren. Ich glaube, ein bisschen lasse ich mich davon noch immer tragen. Wie schön, dass es sie gibt, diese Menschen, die für uns gekocht haben.

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