Ich bin wütend!

Während ich hier sitze und versuche, den nachbarlichen Rasenmäher auszublenden und mich zu konzentrieren, erinnere ich mich daran, wie wütend ich einmal war. Und eigentlich noch immer bin. Egal wie sehr ich mich auch anstrenge, irgendwie scheint dieses kleine Ungeheuer in mir einfach nicht zu verschwinden. Auch nicht, wenn ich es mir wünsche.

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie die Wut sich mit meinem Schmerz vermischt hat, damals, nach der Schreckensnachricht. Wann genau das war, das weiß ich nicht mehr. Ich glaube aber, das hat sich relativ rasch eingestellt. Ich war wütend auf die Menschen, die nichts gesagt haben. Ich war wütend auf jene, die schon etwas gesagt haben, aber eigentlich auch nichts zu sagen hatten. Ich war wütend auf diesen Gott, von dem alle redeten. Ich war wütend auf alle, die ihr Leben einfach so weiterleben konnten. Glücklich sein konnten. Und ich war wütend auf mich selber, weil ich nichts hatte tun können. Ich konnte das Schrecklichste nicht verhindern. Selbst wenn ich da gewesen wäre, hätte ich das nicht gekonnt. Ich war hilflos, ich war unsagbar traurig, und ja, ich war sehr, sehr wütend.

Mittlerweile hat sich das ein wenig gewandelt. Auch wenn die Wut nicht gänzlich verschwunden ist, so versuche ich doch, meine Energie in andere Bahnen zu lenken. Den Blick ganz gezielt auf jene Dinge und Menschen zu richten, die mir guttun. Weniger wütend macht mich das nicht, aber es macht meinen Alltag etwas leichter. An manchen Tagen, da lasse ich mich tatsächlich nur schwer aus meiner Bahn werfen. Egal was die Anderen tun und sagen und auch unabhängig davon, was mir so durch den Kopf geht.

Immer geht das nicht. Gelegentlich, an den weniger guten Tagen, mischt sich die Wut noch immer zu meiner Trauer und ich würde am liebsten laut schreien. Jeden anbrüllen, der es auch nur wagt mich anzusehen. Aber das geht nicht. Und manchmal ist es auch ganz gut, dass es nicht geht. Die Menschen um mich herum haben genauso wenig Schuld am Tod eines geliebten Menschen, wie ich das habe. Das weiß ich. Und doch gibt es da diesen einen, einzigen Unterschied: Die Welt der anderen ist nicht aus den Fugen geraten. Meine schon.

An vielen Tagen ist das bloße Sein anstrengend. Manchmal gar unerträglich. Es sind jene Tage, an denen ich mir wünsche, mich nicht so alleine zu fühlen in dieser lauten, schnellen Welt. Nicht alleine mit meiner Trauer, nicht alleine mit meinem Schmerz und schon gar nicht so alleine mit meiner Wut.

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