Laufen! Einfach nur laufen …

Es gibt Tage, an denen ich am liebsten weglaufen möchte. Einfach abhauen, egal wohin. Wenn ich ganz ehrlich bin, dann ist der Ort, den ich mir für mich wünsche, ganz oft nicht im Dies- sondern im Jenseits. Manchmal, da würde ich tatsächlich alles dafür geben, wenn ich – ohne mich zu kümmern, ohne mich umzublicken – das Leben wie ein lästig gewordenes Kostüm abstreifen und hinter mir lassen könnte. Dann laufe ich.

Ich habe das Laufen irgendwann für mich entdeckt. Gar so lange ist das noch gar nicht her, aber ich weiß, dass es zu einer Zeit war, in der es mir nicht gut ging. Die Trauerwelle, wie man so schön sagt, hatte mich voll im Griff und auch wenn ich mittlerweile weiß, mit welcher Wucht der Schmerz zuschlägt, so überwältigt es mich doch jedes Mal auf ein Neues. Aus dem Nichts, ausgelöst oft durch Banalitäten, von denen ich noch nicht einmal annahm, dass sie mir auch nur im Geringsten zusetzen könnten, schlägt sie zu. Die Trauer. Die Metapher der sich brechenden Welle hat hier schon ihre Berechtigung. Wenn ich mich an meine wenig erfolgreichen Surfversuche zurückerinnere, dann war das sogar ganz genauso. Plötzlich bist du unter Wasser, weißt nicht mehr, wo oben oder unten ist, wirst wild umhergewirbelt und überlegst sogar kurz, ob es das jetzt gewesen sein könnte. Jegliche Kontrolle liegt einzig und allein bei der Welle und sie allein entscheidet, wann es an der Zeit ist, dich aus ihrem Sog zu entlassen. Irgendwann kommst du prustend wieder an die Oberfläche und das Atmen fällt dir schwer. Zu groß ist der Schreck, des soeben Erlebten. Unfassbar erscheint die Tatsache, dass du tatsächlich noch am Leben bist.

Die Trauerwellen, so behaupten manche Menschen, werden irgendwann weniger. Weniger bedrohlich, weniger häufig, weniger schlimm. Irgendwann mag das vielleicht so sein, ich kann noch immer nicht so ganz daran glauben. Vielmehr habe ich oft das Gefühl, mein Körper befindet sich noch immer in einer Art Schutzmodus. Deckt schön langsam Schicht für Schicht auf und hofft darauf, dass ich schon soweit bin, es zu ertragen. Im Ertragen bin ich, so meine ich, nicht ganz so schlecht. Der Schmerz, er macht mir keine Angst, ich ertrage ihn. Ablenkung wäre eine Alternative und, um ehrlich zu sein, sehr viel einfacher. Aber das fände ich nicht fair. Mir gegenüber nicht und schon gar nicht meiner Trauer gegenüber.

Und immer, wenn ich eine Pause brauche, dann laufe ich. Laufe dem Leben entgegen. Mit dem Tod auf meiner Schulter und der Liebe, die mich trägt.

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