Die Sonne kommt und es wird dunkel

Heute ist der 1. Februar. Bei meinem morgendlichen Spaziergang besuche ich sein Grab und es wird mir bewusst, dass ich wieder angekommen bin. Angekommen in diesem Monat. Wieder. Schon zum zweiten Mal. Der Tag, der alles für immer verändern sollte, wollte, hatte, steht vor der Tür. So, wie die Sonne vor der Tür steht. Endlich hat das schattige Dasein ein Ende. Endlich scheint die Sonne wieder über den Berg, der im Winter seinen Schatten auf unser Dorf wirft. Endlich heller, endlich wärmer, endlich. End-lich. Sonne. Für alle. Nur nicht für mich.

Ich glaube, ich habe mich auf diesen Tag gefreut. Diesen einen Tag, von dem alle redeten. Den Tag, an dem düster und schön eins werden und zusammen tanzen. Bei den ersten Sonnenstrahlen am Nachmittag vertreibt die Helligkeit alles Dunkel, hatte man mir gesagt. Aller Trübsal wie weggeblasen. Bestimmt habe ich mich darauf gefreut, damals. Glaube ich.

Ich kann mich nicht erinnern. In meiner Erinnerung hat es geregnet. Vielleicht hat es das wirklich, vielleicht auch nicht. Erinnerung und Wirklichkeit sind verschwommen, noch immer, an diesem einen, diesem ersten Tag des anstehenden Monats. Noch immer schrecke ich nachts auf – raus aus diesem bösen Traum. Wie gut, dass ich aufgewacht bin. Nur nein, es ist kein Traum. Nie ist es das. Auch nicht jetzt. Auch nicht im zweiten Jahr. Die Wirklichkeit ist Sekunden entfernt. Nur kurz erlaubt mein Geist mir eine Pause. Pause, um den Traum abzuschütteln. Bevor ich aufwache. Ganz wach bin. Dann ist wieder Samstag. Jener Samstag. Funkensamstag.

Ich hatte ihn im Kalender eingetragen, den Funkensamstag. Mit unserem Christbaum vom vergangenen Weihnachtsfest hatte ich ja schließlich auch zum alljährlichen Feuer beigetragen. Dem ersten Feuer in meiner neuen, alten Heimatgemeinde. Wie schön, ein Feuer mit unserem Baum. Weihnachtsbaum, Familie, Liebe, ein Fest… und dann ein Feuer. Am abgesagten Funkensamstag.

Während die Totenglocke läutet, wird der Winter ohne Zuschauer vertrieben. Mit meinem Weihnachtsbaum. Es ist bitterkalt. Ich glaube es regnet, aber sicher bin ich mir nicht. Die Kälte möchte mich einnehmen. Vollkommen in mich eindringen. Ich lasse es zu.

Heute ist der 1. Februar und wie immer reden alle davon. Worüber denn sonst. Denn ja, bald kommt ja die Sonne wieder ins Dorf. Die Sonne, die meine Welt für immer dunkel werden lässt und mich daran erinnert, dass nichts mehr ist, wie es einmal war. Nicht im Februar und auch in keinem anderen Monat.

Die Sonne beeindruckt mich nicht. Nicht mehr.

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