Wie geht es dir heute so?

Die Frage nach der Befindlichkeit hat sich auch in unseren Breitengraden mittlerweile zu einer Floskel entwickelt, die so ziemlich jeder zu seinem Sprachrepertoire zählt und freizügig einsetzt. Ein kurzes „Wie geht es dir so?“ passt eigentlich immer, eignet es sich doch sowohl für den Beginn eines jeden oberflächlichen Gesprächs als auch als Lückenfüller wann immer Inhalte fehlen. Grundsätzlich ist es ja auch gar kein großes Problem, dieser Frage mit einer ebenfalls standardisierten Antwort zu begegnen. „Gut, danke. Und dir?“, wenn gerade nichts ansteht oder „Eigentlich ganz gut.“, wenn es doch mal ein wenig Stress gibt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass jemand einmal zu mir gesagt hat „Mir geht es gerade echt beschissen!“ und das verwundert doch eigentlich. Das müsste doch bedeuten, dass es den Menschen niemals schlecht ginge. Oder, noch schlimmer, dass jegliche Gefühle, die wir durchleben, vollkommen bedeutungslos wären. Nicht existent in den Augen der anderen quasi. Vermutlich haben wir uns aber einfach nur an die bedeutungslose Floskel gewöhnt.

„Es geht so.“ oder „Naja, wie es einem halt so geht!“ sind noch ganz passabel für das Gegenüber, das sich wohl nur bedingt dafür interessiert, was sich gerade in meinem Innersten abspielt. „Mir geht es überhaupt nicht gut. Ich bin sehr traurig und möchte am liebsten den ganzen Tag nur weinen!“ – was, wenn das die einzige Antwort ist, die ich geben möchte? Ob das Gegenüber tatsächliches Interesse an meinem Gemütszustand hat, das lässt sich nur schwer bestimmen. Tatsache ist aber, dass es schon unendlich viel Energie gekostet hat, mich anzuziehen, mit dem Auto zum Supermarkt zu fahren und nun den Einkaufswagen stupide durch die Regale zu schieben, um die Artikel auf meiner Liste aufzuladen. Was also, wenn mehr gerade einfach nicht geht?

Heute Früh wurde mir diese Frage von jemandem gestellt, der eine Vorstellung davon hat, wie ich mich fühle. „Wie geht es dir immer so?“ hat sie mich gefragt. „Gut wäre gelogen“ habe ich geantwortet. Sie hat genickt. Wir haben geweint und wir haben geredet. Darüber, dass die meisten Menschen lieber wegsehen. Lieber nicht hören möchten, dass das Leben manchmal einfach nur schwer ist. Dass es nicht wieder gut wird. Das ist nicht pessimistisch, wie mir manchmal unterstellt wird, das ist – meiner Meinung nach – ganz einfach eine Tatsache. Um gut zu werden, müsste sich die Zeit zurückdrehen lassen. Müssten die Dinge wieder so sein, wie sie waren. Damals, bevor der Tod uns sein Gesicht gezeigt hat. Aber das geht nicht! Also wird es nicht wieder gut. Ein sehr bedrückender Gedanke und doch kann ich sagen, dass mir das mittlerweile keine so große Angst mehr macht. Nicht alles im Leben lässt sich reparieren, nicht alles muss immer gut sein. Mein Schmerz möchte ein Teil von mir sein. Ich lasse es zu.

„Danke, ganz gut!“ wird mir vielleicht tatsächlich irgendwann wieder über die Lippen kommen, aber es wird nie wieder bedeutungslos sein.

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